Für den Sonnabend vor dem 2. Advent hatten wir eine „Jahresabschlussfahrt“ zum Weihnachtsmarkt nach Quedlinburg geplant. Unser Fahrlehrer Michael Gutting fuhr den Bus und an Bord waren neben den Mitgliedern unseres Vereines, auch Freunde und Bekannte. In lustiger Runde startete die Fahrt und etwas erinnerte sie mich auch an die Betriebsausflüge zu DDR Zeiten. Was hatten wir damals immer für einen riesen Spaß, wenn wir vom Kollektiv des VEB Schweinezucht und Mastbetriebes Eberswalde (SMZE) mit dem betriebseigenen IKARUS-Reisebus unterwegs waren. Fast routinemäßig endeten die Fahrten auf der Polizeiwache, da sich andere Gäste in den besuchten HO-Gaststätten sexuell genötigt sahen und den ABV verständigten. Man kann halt schlecht Berufs- und Privatleben voneinander trennen.
Wenn man im Lokal dann über neumodische Besamungstechniken zur Steigerung des Mastgewichtsertrages spricht, tja das kann schon ein unaufmerksamer Zuhörer falsch verstehen. Ein Gutes hatte der kollektive Knastgang, der Zusammenhalt war enorm. Selbst die Losung der Partei „Meine Hand für mein Produkt“ ist hier irreführend. Hier noch ein Anekdötchen. Nach den Feierlichkeiten in der SED Bezirksleitung Frankfurt Oder erzählte man sich, dass der Genosse Hertwig nur unter der Einnahme von schwersten Beruhigungsmitteln dazu in der Lage war, mir 1986 die Urkunde „Aktivist der ersten Stunde“ zu überreichen. Heute sagt die Jugend dazu, er hatte Bilder im Kopf. Darum möchte ich allen Jugendlichen heute folgendes mit auf den Weg geben, überdenkt eure Berufswahl genau, es kann später vieles leichter machen. Aber ich schweife hier ab und wollte doch über unsere Ausfahrt zum Weihnachtsmarkt berichten.
Abfahrt 9:09 Uhr am Haltepunkt Netzen, die pneumatisch unterstützen Bustüren schloss sich … [wumm, wumm – in Lautschrift simulierter Türschließungsprozess] ….. und wir fuhren auf die alte Transitstrecke Berlin – Marienborn. Nach dem Kreuz Magdeburg legten wir auf einem Rastplatz einen technischen Halt ein. Schnell wurde ein Tisch herbeigezaubert und die Frühstückstafel wurde reich gedeckt. Es gab alle von Mutti liebevoll zubereiteten Frühstückszerealien, von Bockwurscht, über Leberwurschtbrötschen, bis zu Käsevariationen und Buletten. Ja, ich verwende hier bewusst die deutsche Schreibweise Bulette, denn sie unterscheidet sich doch sehr von der französischen Version Boulette (übersetzt Fleischbällchen). Sie deutsche Bulette hat ein größeres Eigengewicht, enthält viel mehr derbes Kernfleisch und liefert mehr Energie (als Kalorien oder Kilojoule genannt). Das wusste auch schon Großvater, denn wer hat hier wen überrollt! (ein kleines Augenzwinkern beim Lesen soll ihr auf den geschichtlichen Bezug hinweisen, um Diskussionen auszuschließen, die Bulette wurde erst nach 1918 erfunden, so.) Man merkt, der Brandenburger mag mehr Fleisch zum Verzehr. All dieses sinnlose Korngefutter, das ist doch unnormal. Hier sei auch mal ein Lob an die Genossen der Plankommision fällig. Dank der Mangelwirtschaft gab es halt früher keine Cornflakes in Überfluss. Und? Gab es früher bei uns Glutenallergie??? Nein, ging ja nicht! Darum hört auf aber Millionen Birchermüslis zu zermahlen und zu zermümmel`n! Es mehr Fleisch und trinkt nen Kümmel!
Parallel fand auf dem Rastplatz eine Lehrvorführung im Reifenwechsel statt, wobei der osteuropäische Lastkraftwagenfahrer sich abmühte, unter Missachtung aller geltenden deutschen Sicherheitsbestimmungen und dabei von zwei Truckerkollegen mit wilden Ratschlägen bombardiert wurde. Er wird es dann wohl auch geschafft haben, wir hätten dazu einfach den Gelben Engel angerufen und machen lassen.
Während der Weiterfahrt war die Idee geboren das DDR Museum in Thale zu besuchen. Unser Dispatcher regelte während der Fahrt die Ankunft der Reisegruppe und um es gleich vorweg zu sagen, der Besuch hatte sich echt gelohnt. Für viele war es eine Reise in die Vergangenheit. Alle Dinge des täglichen Bedarfs, Haushaltsgeräte der Weltmarke AKA-Elektrik, Geräte für Funk und Fernsehen, selbst die Anbauwand Favorit mit den gefüllten Schub- und Staufächern, es war alles wie früher. Am liebsten hätte ich in den Wäscheschrank geöffnet, mir ein umhäkeltes Taschentuch gegriffen und wehmütig hineingeschnäuzt. Nur schwer konnte ich der Versuchung wiederstehen mich auf das Bett zu werfen und die sauber drapierte Tagesdecke zu zerwurschteln. Diese liebevoll aufbewahrten Dederonschürzen! Dederon, die Kunstseide der Arbeiter und Bauern. Im tristen grau der DDR setzten die Dederonschürzen die farbenfrohen Akzente. Selbst wenn Mutti mal wieder einem den Hosenboden verdrosch, die farbenfrohe Dederonschürze löste den Schmerz in Luft aus. Was dem Wessi der Film „Zurück in die Zukunft“, ist dem Ossi die Reise in die Vergangenheit. Eigentlich hatten wir alles, es war nur falsch verteilt. Wer noch einmal in Kindheits- und Jugenderinnerung schwelgen will, dem sei der Besuch im DDR Museum in Thale ans Herz gelegt.
Von Thale aus fuhren wir dann direkt nach Quedlinburg zum Weihnachtsmarkt. Einen Abstecher zu dem auf der Strecke befindlichen Hexentanzplatz haben wir bewusst ausgelassen. Offiziell hatten wir keine Zeit aber unter uns kann ich es ja sagen. Es gab zwei Bestechungsversuche an den Reiseleiter, damit eine Umleitung simuliert werden sollte. Da ich aber im Hauptberuf Staatsdiener bin und somit unnnnnnnnnnnnnnnnbestechlich, habe ich das Geld trotzdem genommen, es natürlich versteuert und bereits für die nächste Fahrt ein Dutzend Flugobjekte geordert. Aufgeschoben ist halt nicht aufgehoben. Jungs, so arbeiten Profis!
In Quedlinburg angekommen, entstand zunächst der Eindruck man sei auf einer großen Busauktion. Sooooo viele Busse auf einen Haufen, das hatte ich zuletzt 1989 zum runden Geburtstag gesehen. Die Stadt Quedlinburg ist eigentlich ein großes Museum. Auf ca. 80 ha drängen sich über 2000 Fachwerkhäuser, welches auch mit der Grund ist, dass Quedlinburg seit 1994 mit in die UNESCO – Welterbeliste aufgenommen wurde. Diese vielen kleinen Höfe, in denen zum gemütlichen Verweilen eingeladen wird / wurde. Es war echt schön. Einziger Wehmutstropfen, die Massen an Menschen. Es wurde geschoben, gedrückt und gedrängelt. So wie früher am Werkstor wenn die Spätschicht die Frühschicht ablöste. Und da sind wir wieder beim Grundproblem des Kapitalismus, den bereits Marx sehr schön in seinem Kapital (also das Falsche, er hatte ja kein Geld, sondern das Buch „Das Kapital“) ausgearbeitet hat. Der Kommerz siegt über alles. Da gab es Glühwein für viel Geld, welcher soweit gestreckt wurde, das es schon fast Hagebuttentee mit Gewürz- und Alkoholextrakten war. An einem Stand gab es handgeschöpfte Heuschafsmilchseife. Also bitte, wer glaubt denn sowas, außer einem neuzeitlichen Ökofanatiker. Wer grabbelt denn bitte schön mit seinen Händen aus einem Sudkessel Seifenstücken heraus? Und dann diese auf Mittelalter getrimmten Kunstschmiede mit ihrem rostigen Schmuck! Man war schon gewillt eine Flasche Grundierung zu spendieren, um so den Verfall der rostigen Kunst zu stoppen. Aber gut, so lange es Menschen auf der Welt gibt, die so etwas kaufen, so lange wird es auch diese Gaukler und Vagabunden geben. Ich hätte mir lieber eine Bühne gewünscht, auf der die zwei grimmigen Brüder ihre Weihnachtsmärchen darbieten, um so der Jugend unsere Kultur weiter zu vermitteln. Mal ehrlich, wer kennt denn heute noch ein deutsches Märchen? „Aladin und die Wunderlampe“ gehört da nun nicht rein. Außerdem sind wir per Gesetzt zur Nutzung von Energiesparlampen verpflichtet, so dass dieser rußenden Drecksschleuder von Wunderlampe ehr der Garaus gemacht wurde. Oder nehmen wir „Der fliegende Teppich“! Erstens steht der deutsche Haushalt heute auf Laminat aus nachhaltig angebautem Tropenholz, so dass Teppiche ebenfalls out sind. Zweitens, fliegender Teppich? Der Luftraum ist so hart umkämpft, Air Berlin ist pleite, da wird das Bundesluftfahrtamt auch keine fliegenden Teppiche zulassen. Von den notwendigen Start- und Landebahnen will ich erst gar nicht anfangen. Geht nicht, aus.
Nun aber wieder zurück zum romantischen Kick des Weihnachtsmarktes. Die vielen Lichter, der liebliche Klang von Weihnachtsmusik und die vielen leckeren Dürfte, sind zusammen eine Art von Droge. So berauscht döst man an den Ständen vorbei, zückt seine Geldbörse und verdrückt was der Gaumen begehrt. Die Vernunft vermag nicht gegen das Verlangen anzukämpfen. Im Großhirn wird die Kalorientabelle mitgeplottet, um den Hüften das Signal zukommen zu lassen, in welchem Maße Fettreserven abgelagert werden müssen, um so den Dehnungsprozess anzustoßen für den benötigten Raumbedarf. Unwissende werden jetzt stutzen aber unser Körper ist ein Wunderwerk der Natur. Wer Interesse hat, ich könnte hierzu in der nächsten Wintervortragsreise aus meinem medizinischen Selbststudium weiter ausführen.
Das Endergebnis aus all den Eindrücken aber bleibt, es war echt ein sehr schöner Ausflug! Auf der Rückfahrt verwandelte sich unser Gefährt in eine Art Partybus. Es wurde gelacht, getanzt und gesungen, die Stimmung war großartig. Somit würde ich mich bereiterklären, bei der kommenden Mitgliederversammlung den Antrag einzubringen, auch im kommenden Jahr wieder eine Jahresabschlussfahrt zu machen. Ordnung muss sein, in einem Verein!
Nun gut liebe Freunde und Freundinnen, liebe Leser und Leserinnen, auch dieses Mal hat sich der ein oder andere Gedankengang mit eingeschlichen, der nun nicht unbedingt der ganzen Wahrheit entspricht. Nein liebe Damenwelt dort draußen, ich bin kein gelernter Besamungsfacharbeiter. Somit kann die Briefmarke für die Fanpost ungeleckt bleiben. An dieser Stelle nochmals der Hinweis, ich bin kein Pfarrer, Ehen kann ich somit nur zum Schein schließen. Bei Beerdigungen dagegen, also … ich mach viel mit Beton! (hier ein verschmitztes Augenzwinkern à la Al Capone)
Auf diesem Wege wünsche ich allen eine besinnliche Weihnachtszeit, nehmt euch Zeit um in Ruhe Kraft zu tanken und rutscht gut in das Neue Jahr hinein.
Ich freue mich auf 2018, wo wir wieder zusammen mit Schwalbe, Spatz und Star über Landstraßen „fliegen“. Das dritte Simson – Treffen ist auch bereits in der Planung und wird größer, bunter …. lasst euch überraschen.
Es grüßt euch der kleine Tierfreund