Am vergangenen Sonnabend brachen wir auf zur Fahrt nach Jüterbog, genauer gesagt ins Alte Lager, um dort die Barbara Halle zu besuchen.
Allein in diesem Satz stecken drei wichtige Punkte der Zeitgeschichte.
Jüterbog – die Entfernung dorthin ca. 46 km, für unsere Vogelschar nun nicht die Herausforderung. Vielen ist aus der guten alten Zeit noch „Jütro“ bekannt, in Langschreibweise Jüterboger Konserven und Feinkost, wobei die Abkürzung eher auf Jüterboger Trockenobst schließen lässt. Jaaa, zu Feinkost zählten damals Perlzwiebeln, Rotkohl und Sauerkraut. Alles Produkte, die in der reichhaltigen DDR Spitzenküche jedes Gericht auf edelste Art abrundeten (mal mehr oder weniger, je nachdem wo gerade die Lieferengpässe bei Fleisch oder Kartoffelvariationen lagen).
Altes Lager – kurz gesagt Klein Moskau II, denn Klein Moskau war ja schon Wünsdorf. Im Alten Lager „hausten“ unsere Freunde aus der UdSSR, welche eigentlich schon mit ihrer riesen Kasernenanlage jedem Vorbeireisenden Schrecken einjagten. Aber die Geschichte hält so manche Überraschung parat. Das Alte Lager wurde am 7. Oktober 1870 vom preußischen Militär erworben und es wurden dort ca. 9.000 Kriegsgefangenen aus dem Deutsch-Französischen Krieg untergebracht. 7. Oktober! Klickerts? Nur 79 Jahre später, in denen wiederum drei verschiedene Staatsformen auf deutschem Boden existierten, wurde unsere Kleine DDR gegründet. Ach, ich könnt schon wieder in Erinnerungen schwelgen.
Barbara-Halle – wer kennt sie nicht die heilige Barbara, die Schutzpatronin der Artillerie!? Mit der Gründung des Alten Lagers entstand dort auch die deutsche Artillerieschule. Also muss doch die Barbara schon ne mächtige Granate gewesen sein. Aber das Mädel bekam schnell weltliche Konkurrenz und zwar von der Firma Krupp. Diese Rüstungsfirma baute im ersten Weltkrieg viele Geschütze und gab ihnen den Namen Dicke Berta. Aber die Mädels haben sich schnell verständigt, die Heilige schütze die Artilleristen und die Dicke machte alles kurz und klein. So sind die Mädels! Ich sag nur, Rohr frei!
Nun aber zum eigentlichen Punkt unserer Ausfahrt. Ziel war der Besuch des Vereins St. Barbara, welcher sich die Bewahrung der Garnisiongeschichte von Jüterbog auf die Fahnen geschrieben hat.
Herr Arndt, vom Vorstand des Vereins, empfing uns bei strahlendem Wetter und ließ uns auch sofort in die Geschichte des Standortes eintauchen. Also ich erzähl ja nun auch viel und oftmals mit viel Klamauk dabei aber der Herr Arndt, Hut ab sag ich nur. Ein Lexikon auf zwei Beinen mit einem biologischen Hochleistungsrechner auf den Schultern. Die Gruppe hing sofort an seinen Lippen, man konnte förmlich die Motoren brummen hören, Geschütze feuerten Salut, Funksignale wurden gesendet, der Schanzwagen bewegte sich knarrend vorwärts und ja, was hätte ich dafür gegeben, wenn der Tatra 813 einmal so richtig aufgeheult hätte, als ginge es auf zur letzten Schlacht. Es war ein Vortrag mit Leib und Seele, der die Zeit schnell verrinnen ließ. Trotz der vorherigen Rast beim Bäckereifachverkäufer, kam nach fast drei Stunden der Wunsch nach Kaffee und Kuchen hoch. Dank unsere heimlichen „Kartoffelsalatkönigin“ (siehe Bericht 2019 zum Kern der DDR), war das Versorgungsfahrzeug wieder reichlich bestückt. Das tolle Wetter und die zahlreichen Rastmöglichkeiten auf dem Gelände, luden zu einem kleinen „Biwak“ ein. Und somit war die Sache rund. Ohhh stopp! Habe ich etwa wieder ein Fremdwort verwendet, welches heute nicht mehr umgangssprachlich zu deuten ist? Biwak? Das hat nichts mit Zwieback zu tun. Unsere heute ungediente Jugend kann es natürlich nicht wissen, stellt doch heut zu Tage das Nächtigen bei offenem Fenster in einem ergonomisch geformten Bett mit erdmagnetenresistenter Bettwäsche eine echte Herausforderung da. Biwak (von französisch bivouac ‚Feldlager‘, ‚Nachtlager‘ aus deutsch Beiwache) bezeichnet ein Lager im Freien, aber auch in Zelten oder Hütten, vor allem für Soldaten oder Bergsteiger. Heute würde man als Biwak bezeichnen, die Rudelbildung bei Freiluftkonzerten, wo es eher um die schnelle übermäßige Alkoholvernichtung geht. Anders als früher, wo man(n) noch im Ehrendienst dem Staat gegenüber im Feldlager die nächsten Übungsabläufe durchging, um dann in einer kurzen Ruhephase mit Hamster, Igel, Ameise und Co. sich für die nächsten Herausforderungen zu kräftigen. Die Zeiten haben sich geändert. Was früher alles selbst erledigt werden konnte, dafür braucht man heute mehr als vier linke Hände.
Schnitt! Wollen wir uns mal hier nicht verrennen, unser Erziehungsauftrag ist klar.
Die Heimreise verlief ohne Aus- und Zwischenfälle, lediglich eine schier nicht enden wollende Blechlawine schlängelte sich über die Landstraßen. Wahrscheinlich hatte sich bei der Hitze wieder der Beton auf der Autobahn gewölbt, so dass diese gesperrt werden musste. Das hielt uns aber nicht davon ab, in Brück beim Eisdealer anzuhalten und der köstlichen Gaumenfreude zu frönen. Softeis, ein Relikt aus alten Zeiten, was uns heut noch erfreut. Das alles machte den Tag zu einem unvergesslichen Erlebnis. Selbst Schwälbchen freute sich über diese Tour, konnte es doch seine Langstreckentauglichkeit unter Beweis stellen. Insgesamt sind wir über 120 km durch märkische Flur und Heide geflogen und es war wundervoll.
Mit Erreichen der heimatlichen Scholle öffnete sich der Himmel und brachte den Pflanzen das lang ersehnte Nass.
Schwälbchen und seine Freunde gingen auch sogleich zu Bett, natürlich gab es noch einen kleinen liebevollen Klapps auf`s Blechkleid und bei einem kühlen Blonden wurde der Tag abgerundet. Guuut, es waren mehr kühle Blonde. Fahren macht halt Durscht.
Ich bedanke mich bei allen Mitreisenden für diesen tollen Tag
Und freue mich schon auf das nächste gemeinsame Vorhaben.
Bis dahin, bleibt gesund und munter!
Euer kleiner Tierfreund